1874-2024: 150 Jahre Feuerwehr Reichelsheim - Epoche 2: 1875 - 1900

Die Einwohnerzahl von Reichelsheim wird 1875 auf circa 1610 beziffert. Haupterwerbszweig bleibt bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges die Landwirtschaft und ansässige Fabriken sind die Brauerei Heil und die Ziegelei (Russenfabrik). Weiterhin bestehen ein Gesangverein und der Militär- und Veteranenverein. 1875 wird Andreas Hörr zum 1. Direktor und Kilian Hering zum 2. Direktor gewählt.

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Im Mai sind die neuen Statuten endlich vom Kreisamt in Erbach bestätigt und den Mitgliedern zur Kenntnis vorgelegt. Bereits kurze Zeit nach Ihrer Gründung muss sich die Wehr bewähren: Mitten im Winter schlägt ein Blitz in den Turm der evangelischen Kirche ein und der Turm steht in kurzer Zeit in Flammen: Die Männer der noch jungen Wehr beweisen bei den Löscharbeiten guten Sachverstand und eine große Ausdauer. Das bringt ihnen die Anerkennung des gesamten Kirchspiels ein.

1877 beschließt der Vorstand, die Stelle des 1. Direktors bis zur nächsten Wahl an Ph. Heist zu übertragen, denn die Mitglieder drohen mit Austritt, wenn Andreas Hörr sein Amt weiter ausübt!  Zum neuen 1.Direktor wird dann am 15.02.1878 Ph. Weber (Spengler) gewählt und 2. Direktor wird der Tierarzt Dr. Renner. Kontinuierlich wird die Wehr in den Jahren 1875 bis 1880 mit persönlichen Ausrüstungsgegenständen ausgestattet, hier eine kleine Auswahl: Ein Signalhorn11,60 Mark,282 Ellen Kittelzeug zu 129 Mark - 69 Kittel genäht82 Mark, 15 Beile45 Mark,zwei Äxte 10 Mark, 21 breite Gürtel 72 Mark und24 schmale Gürtel 22 Mark,48 Weißblechhelme à 4,75 Mark. 1879 wird auf Beschluss des Gemeinderates in den unteren Räumen des Rathauses ein entsprechender Raum zur Unterbringung der Spritze und der Gerätschaften eingerichtet. Eine erneute Anfrage an die umliegenden Gemeinden betreffs finanzieller Beteiligung zur Löschhilfe sagen diese zu und bezahlen an die Gemeinde bzw. an die Feuerwehr für die Ausrüstung und für Geräte einmalig folgende Summen: Eberbach9,03 Mark,Klein-Gumpen22,01 Mark, Frohnhofen 6,46 Mark,Ober-Klein-Gumpen 10,20 Mark, Laudenau28,05 Mark,Kirch-Beerfurth27,03 Mark, Groß-Gumpen34,51 Mark,Pfaffen-Beerfurth lehnt eine Beteiligung ab. Ab 1881 zahlt die Sparkasse Erbach 100 Mark Spende an die Feuerwehr und der Spar- und Kreditverein gibt 50 Mark jährlich.

Am 24.08.1884 wird ein Stiftungsfest zum zehnjährigen Bestehen gefeiert: Das Fest wird „versteigert" an einen Festwirt! Vertragswortlaut: Der Wirt hat etwas an Geld zu zahlen, damit ihm das Recht erteilt wird, das 4/10 l Bier zu 12 Pfennigen zu verzapfen. Einnahmen aus dem Fest: Spende vom Grafen zu Erbach: 30 Mark; Eintritt: 180 Karten zu 20 Pfennig; Festplatz 22 Karten zu 1 Mark; Festplatzmiete: 31,35 Mark; Gesamt118,75 Mark. Ausgaben zum Fest: Festplatz50 Mark; Musik72 Mark; Schmuck31 Mark; Speisen65 Mark; Gesamt218 Mark (ein Minus von 99,25 Mark). Rund 2 Wochen später wird der Tierarzt Dr. Renner zum 1. Direktor gewählt, da der bisherige Direktor Ph. Weber seinen Rücktritt erklärt, 2. Direktor wird Johannes Bangert. Im Dezember wird das neu geschaffene hessische Ehrenzeichen für 25-jährige Dienste an Brandmeister Andreas Hörr, den 2. Kommandanten Johannes Bangert V., und an den Führer Adam Bangert III. überreicht. Ein Brand in der Hofreite Lippmann wird am 03.07.1886 erfolgreich bekämpft und die Brandversicherung zahlt 20 Mark an die Feuerwehr. Johannes Bangert wird im Februar 1888 zum 1. Direktor und Adam Dingeldein zum 2. Direktor gewählt. Zu Ehrenmitgliedern werden die Herren Pfarrer Anthes, Kaufmann Bauer, Apotheker Meyer, Heinrich Röder und Georg Treusch ernannt. Sie zahlen einen Beitrag von 2,40 Mark im Jahr. Im „Schwanen" kann im Februar 1889 der erste Feuerwehrball abgehalten werden. Einnahmen daraus: 33,50 Mark.

Ein Brand auf Schloss Reichenberg im Bau der Rentei sorgt kurz vor Silvester 1889 für Aufsehen. Pfarrer Anthes alarmiert um 5.00 Uhr die Wehr und bereits um 7.00 Uhr ist der Innenbrand erfolgreich bekämpft. Der Graf zu Erbach bedankt sich für den tatkräftigen Einsatz der Feuerwehr und spendet 30 Mark. Carl Werner wird auf der Generalversammlung im Januar 1890 zum 2. Direktor gewählt. Weiterhin beschließt die Versammlung, dass die Spende des Grafen zu Erbach von 30 Mark zum Wohle der aktiven Mitglieder verwendet werden soll. Die Feuerwehr Reichelsheim nimmt im November 1891 geschlossen an der Trauerfeier von Bürgermeister Volk teil und legt für ihren ehemaligen 1. Direktor einen Kranz nieder. Bei der Generalversammlung 1892 wird beschlossen, dass derjenige, der bei Übungen ohne Entschuldigung fehlt, eine Strafe von zehn Mark zu zahlen hat. Fehlt ein Aktivist mehr als dreimal unentschuldigt, so kann er unehrenhaft entlassen werden. Der Vorstand wird im Februar 1893 neu gewählt: 1. Direktor wurde Friedrich Hering. Der bisherige 1. Direktor Joh. Bangert wurde 2. Direktor. Rechner, Schriftführer und Beisitzer werden per Akklamation neu bestätigt. Die Stallungen des Ph. Hörr werden im Sommer 1893 ein Raub der Flammen, das Wohnhaus kann durch das schnelle Handeln der Feuerwehr komplett gerettet werden.

Immer wieder wird die Schlagkraft der Wehr durch Neuanschaffungen erhöht. Eine 10 m lange Steigleiter, 4 Steiger-Laternen, ein Seil - 25 m lang und 12 Uniformjacken können 1894 aus Mitteln der Feuerwehrkasse (d.h. ohne Zutun der Gemeinde) angeschafft werden. Der Kreis erlässt im August 1894 eine erweiterte Feuerlöschverordnung: Es sind Gemeindelöschverbände einzuteilen, so dass künftig Pfaffen- und Kirch-Beerfurth, Bockenrod, Unter-Ostern, Groß-Gumpen, Klein-Gumpen und Ober-Klein-Gumpen zu Reichelsheim gehören. Bei der Generalversammlung im Februar 1895 wird festgelegt, dass der Vorstand jedes Jahr per Akklamation neu bestätigt wird. Der Vorstand besteht aus: 1. Direktor, 2. Direktor, Rechner, Schriftführer, Zeugwart, 1.und 2. Spritzenmeister, Führer Hydrantenwagen und seinem Stellvertreter und dem Führer Rettungsmannschaft. Zu diesem Zeitpunkt waren 48 Mitglieder in der Wehr. Kurze Zeit später wird der dritte Feuerwehrball im Gasthaus „Zur Krone" bei Ehrenmitglied Gärtner abgehalten. Reichelsheim hat damals 1.935 Einwohner und die Wehr verfügte über zwei Handdruckspritzen ohne Saugwerk, einen Schlauchwagen, 160 Meter ungummierte Schläuche, 78 Feuereimer, 9 Feuerhaken, eine Anstell-Leiter mit Stützen, drei Hakenleitern und drei Dachleitern.

Die Generalversammlung beschließt im Februar 1899, dass anlässlich des 25-jährigen Bestehens eine Festveranstaltung abgehalten werden soll. Im August 1899 wird dann auch das Jubiläum feierlich begangen und der Erlös der Veranstaltung wird für einen neuen Leiterwagen angelegt. Eine Übung anlässlich eines Feuerwehrfestes wird mit Wasserabnahme von einem Hydranten abgehalten - eine Neuerung zu dieser Zeit. So schreibt die Odenwälder Zeitung: „Ein zweiter Hydrantenschlauch führt durch den Kirchturm bis zum obersten Aussteigladen desselben. Ungläubig schütteln die Zuschauer den Kopf, als sie den Wehrmann so hoch mit einem Strahlrohr erblicken. Der kriegt sein Lebtag kein Wasser hörte man Leute verschiedentlich sagen. Dieser Ausspruch konnte den Reichelsheimer Wehrmännern nur ein Lächeln abnötigen, da sie von Druckleistungen des Wasserwerkes ja schon öfter Proben gesehen hatten. Und richtig, sobald der Schlauchführer das Zeichen um Wasser gab, konnte er die höchste Spitze des Turmes noch mit Wasser “bestreichen".

Weitere Details unter: http://150jahre.feuerwehr-reichelsheim.de