1874-2024: 150 Jahre Feuerwehr Reichelsheim - April: Epoche 4: 1919–1945

Die erste Vorstandswahl nach dem ersten Weltkrieg erbringt im März 1919 folgendes Ergebnis: Erster Kommandant Georg Werner. zweiter Kommandant Georg Hörr; weitere Mitglieder: H. Trautmann, Jakob Jost, Georg Dequis, Georg Dingeldein V, Adam Bangert, Michael Steiger (Zeugwart).

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Im Mai 1920 erhält die Wehr eine neue, größere Spritze, denn während des Krieges war die alte Spritze als „altes Kupfer" verkauft worden. Alle Ausrüstungsteile werden generell überholt. Die Gemeinde will und kann -wohl aus finanziellen Gründen- keinerlei Ausgaben tätigen. Daraufhin droht die Wehr mit ihrer Auflösung: Übungen werden nicht mehr besucht und es herrscht Krisenstimmung. All dem vorausgegangen ist ein Antrag an die Gemeinde über die Anschaffung von Ausrüstungsgegenständen für die Wehr. Die Gemeinde lenkt schließlich ein, die berechtigten Forderungen der Mitglieder werden erfüllt und daraufhin wird der normale Übungsbetrieb wieder aufgenommen. Dass die Wiederaufnahme des Übungsbetriebes wertvoll war, zeigt sich am 08. September 1920 bei einem Großbrand in der Reichenberger Straße, wo die Scheunen der Familien Weimar und Born und das Wohnhaus der Familie König brannten. Im aufopferungsvollen Einsatz gelingt es unserer Wehr, das Wohnhaus der Familie Born vor den Flammen zu retten.

1922 werden die Ehrenzeichen für 25-jährigen und 40-jährigen Dienst in der Feuerwehr geändert: Für 25-jährige Mitgliedschaft erhält der jeweilige Wehrmann eine Gürtelschnalle, für 40-jährigen Dienst erhält der Wehrmann eine Medaille. Bei der Generalversammlung 1923 wird eine Festkommission für das Fest zum 50-jährigen Bestehen gegründet. Es soll ein Banner angekauft werden und die Veranstaltung sollte nur als Feier mit Bannerweihe begangen werden, dies wurde jedoch bei einer weiteren Versammlung im Juni 1924 geändert: Die Jubiläumsfeierlichkeiten werden als Fest mit einem Festzug gestaltet. Auch Ehrendamen werden angehalten, bei diesem Fest am 10. August 1924 mitzuwirken, ebenso sollen alle örtlichen Vereine eingeladen werden. Am 10. August 1924 feiert die Feuerwehr Reichelsheim ihr Jubiläum - verbunden mit der Bannerweihe. An diesem Fest nehmen außer den örtlichen Vereinen auch die Wehren aus Brandau, Erbach, Fürth, Höchst, Bad König, Lindenfels, Beerfurth, Fränkisch-Crumbach, Rimbach, Zell, Wersau, Bensheim und Neustadt teil. Einige interessante Details sollen hier genannt werden: Einnahmen aus der Veranstaltung 1.316 Mark plus Sammlung für das Banner (780 Mark) ergeben 2.096 Mark. Dem gegenüber stehen Ausgaben in Höhe von 46 Mark und der Kauf des Banners (622 Mark), so bleibt ein Erlös in Höhe von 983 Mark (für diese Zeit war das viel Geld). Über alle Ausgabe und Einnahmen wird natürlich ein Kassenbuch geführt und diese Kassenbücher liegen sogar heute noch teilweise im Original vor. Im Oktober wird eine innovative Schiebeleiter angeschafft: 12 m Ausladung, aus Holz, mit Eisenwagen auf zwei Rädern, zu einem Preis von 1.230 Mark. Man erhält einen Zuschuss von der Brandversicherungskammer in Höhe von 350 Mark. Am 23. März 1929 wird beschlossen bei Mitgliedern, die im vergangenen Jahr keine Übung besucht haben, die Uniformen abzuholen.

Während der Generalversammlung 1931 wird vom ersten Kommandanten bekanntgegeben, dass für die Feuerwehr eine Versicherung abgeschlossen wurde. Auch sollen in Zukunft Instruktionsstunden, das heißt theoretischer Unterricht, abgehalten werden. Im Schulhaus der Gemeinde Reichelsheim kommt es Anfang Mai 1931 zu einem folgenschweren Brand: Das Feuer findet im alten Gebäude rasch Nahrung, so dass das Gebäude trotz des schnellen Eintreffens der Feuerwehr bereits in hellen Flammen steht. Trotz der Flammen dringen beherzte Feuerwehrleute in das Gebäude ein und retten die Bewohner. Es handelt sich um den Rektor Bormuth, seine Ehefrau und das Dienstmädchen. Leider erleiden die Personen so schwere Brandverletzungen und Rauchvergiftungen, dass sie sie kurze Zeit danach sterben. Den Einsatz vergaßen die Erben der Verstorbenen den Wehrleuten niemals und so wurde die Feuerwehr Reichelsheim viele viele Jahre später bei der Erbauseinandersetzung großzügig bedacht. Die Ursache des Brandes ist glühende Asche, die unter der geölten Treppe abgelagert war. Brandwachen werden für insgesamt 153 Stunden eingesetzt. Nur wenige Tage später, am 08. Mai 1931, schlägt ein Blitz in die Kirche ein. Es ist aber nur ein „kalter" Schlag und es kommt zum Glück zu keinem Feuer. Die Schulkinder, die nach dem Brand in der Schule im Rathaus untergebracht werden, sind vom erneuten Unglücksfall so erschreckt, dass Sie von den Feuerwehrleuten nur mit Mühe beruhigt werden können. 1931 ist die Wehr, wie aus dem Bericht des ersten Kommandanten Werner hervorgeht, auch noch zweimal bei Hochwassereinsätzen eingesetzt.

Bei der Generalversammlung am 24. Januar 1932 wird beschlossen, dass jeder Feuerwehrmann an allen Geräten ausgebildet werden soll. Im Mai des Jahres 1933 besteht in Reichelsheim neben der Freiwilligen Feuerwehr wieder eine Pflichtfeuerwehr - eine Folge der politischen Veränderungen. In diesem Jahr wird in Reichelsheim ein Reichsfeuerwehrschutztag begangen. Bereits um 7.00 Uhr wird eine gemeinsame Übung abgehalten und um 10:30 Uhr erfolgt ein Marsch durch Reichelsheim zum Marktplatz. Auf dem Marktplatz hält der erste Kommandant Werner eine Rede.

30. Januar 1934: Generalversammlung mit Wahl der Unterführer: Große Spritze Johannes Steiger; Kleine Spritze Konrad Spalt; Mechanische Leiter Adam Hufbauer; Schiebeleiter Karl Gläser; Hydrantenwagen Konrad Spalt (Mühlgasse) (Die Bezeichnung „Unterführer" entspringt schon den damaligen politischen Gegebenheiten). Das Stiftungsfest zum 60-jährigen Bestehen soll im Mai 1934 begangen und mit dem Kreisfeuerwehrtag verbunden werden, für den 19. Mai 1934 ist das Fest angesetzt. Die Vorbereitungen sind getroffen und alle Wehren eingeladen, als am 10. Mai kurzfristig von höchster Stelle befohlen wird, dass an diesem Wochenende keine Festlichkeiten durchzuführen sind, denn die Feuerwehren werden zur Teilnahme an der Einweihung der Reichsautobahn Frankfurt - Darmstadt verpflichtet. Hierfür muss ein vorbestelltes Menschenspalier die gesamte Strecke säumen.  Als neuer Termin für die Begehung des Festes wird der 30. Juni 1934 angesetzt und durchgeführt. Es wird beschlossen, dass der Ehrenausschuss, an der Spitze der Ortsgruppenleiter Siefert und der Beigeordnete Werner, im Auto beim Festzug mitfahren - etwas Besonderes zu dieser Zeit! Insgesamt nehmen 32 Wehren aus den Kreisen Erbach, Dieburg, Bensheim und Heppenheim an diesem Fest teil.

1936 besucht der erste Kommandant Werner einen Luftschutzkurs und der Vorstand der Feuerwehr wird in Führerrat umbenannt. Die Kameraden müssen Frei- und Pflichtgelöbnisscheine unterschreiben. An der Grundsatzung der Feuerwehr soll festgehalten werden. Der Besuch von Übungen und Schulungen ist Pflicht, bei Zuwiderhandlungen erfolgt eine Vertragsstrafe. Die Feuerwehr verliert ihre Selbstständigkeit und wird der Ordnungspolizei untergeordnet, behält aber den Namen „Freiwillige Feuerwehr".

Auszüge aus der Satzung vom 09. Oktober 1936: 

§2 Zweck: Die Wehr hat den Zweck, im Auftrag des Ortspolizeiverwalters gemäß den Weisungen der Polizeiaufsichtsbehörden und des Reichs- und Preußischen Ministers des Innern die Gefahren abzuwehren, die der Allgemeinheit oder den einzelnen durch Schadens Feuer drohen. Diesem Zweck dient die Wehr insbesondere dadurch, dass sie a) die Mitglieder der Wehr im Sinne des nationalsozialistischen Staates zur opferwilligen Gefolgschaft zum Mut vollen und unermüdlichen Einsatz ihrer besten Kräfte für Volk und Vaterland und zur treuen Kameradschaft und Pflichterfüllung erzieht usw. 

§ 5 Erwerb der Mitgliedschaft: a) als solche werden nur gesunde, kräftige und gewande Männer aufgenommen, die den Anforderungen des Dienstes in der Wehr zu genügen im Stande sind, einen guten Ruf haben, arischer Abstammung sind, das 18. Lebensjahr vollendet und das 40. Lebensjahr möglichst nicht überschritten haben  

§16 Vertragsstrafen: Verspätetes Erscheinen zur Übung 0,25 RM; Fehlen bei Übungen 0,50 RM
§17 Leitung und Geschäftsführung: Die Leitung der Wehr und die Führung ihrer Geschäfte ist in allen Punkten der Aufsicht des Polizeiverwalters unterworfen usw.

 Am 12.12.1937 erfolgt Verleihung des „silbernen Ehrenkreuzes" an den ersten Kommandanten Georg Werner, Georg Dingeldein V., Georg Keil, Georg Schmahl, Georg Klingler, Valentin Weber, Adam Hufbauer. Die Innenstadt von Darmstadt wird am 11./12. September 1944 durch einen Großangriff englischer Bomber weitgehend zerstört. Zunächst löscht die Feuerwehr Darmstadt ihre eigene, in der Kirchstraße (Innenstadt) gelegene Feuerwache, um weiter die Ausrüstung zur Bekämpfung der Brände zur Verfügung zu haben. Im gesamten Rhein-Main-Gebiet wird für alle Feuerwehren Großalarm gegeben und alle verfügbaren Feuerwehrkräfte werden in Darmstadt zusammengezogen. Bis sechs Uhr morgens sind bereits über 3.000 Feuerwehrleute mit 220 Motorspritzen eingetroffen. Aber selbst diese können den Feuersturm nicht unter Kontrolle bringen und auch nicht zu den Tausenden in Kellern der Altstadt Verschütteten vordringen. Die enorme Hitzeentwicklung von weit über 1.000 °C und stark beschädigte Straßen behindern die Lösch- und Rettungsarbeiten entscheidend. Der Feuersturm kann daher nur an seinen Rändern eingedämmt werden. Die Folge: 12.300 Tote, 70.000 Obdachlose.

Am 30. März 1945 zieht die amerikanische Armee in Reichelsheim ein und am 07. Mai verkündet der Reichssender Flensburg erstmals von deutscher Seite her das Ende des Zweiten Weltkrieges auf dem europäischen Kontinent. Die bedingungslose Kapitulation tritt für alle Fronten am 8. Mai um 23:01 Uhr mitteleuropäischer Zeit in Kraft. Das Ende des Zweiten Weltkrieges mit dem totalen Zusammenbruch hat auch die Auflösung aller Organisationen zur Folge. Alle Vereine stehen unter amerikanischer Kontrolle. Neugründungen jeglicher Art bedürfen zuerst der Zustimmung der Besatzungsmacht.